Abi '91 an der Klaus-Harms-Schule Kappeln - Die Zeitung - |
Diese Antwort kann eigentlich auch heute keiner von ihnen geben, es steht allein fest, daß es ihr Leben vollständig änderte. Nur vereinzelte Reliquien konnten erhalten werden, wie die ``Eule'', die sich jedoch von Zeit zu Zeit immer mehr ins Lila verfärbte, oder die ``Scheiße'': ein Wort, dessen rapider Aufstieg in die Hitlisten der subtilen Sprache Jugendlicher und der, wie es so schön heißt, Ewig-Jung-Gebliebenen Schrecken und Entsetzen für alle Rechtschaffenden brachte, da es nicht nur allein vor sich hin vegetierte, sondern in allen erlaubten und unerlaubten grammatikalischen Formen auftrat und so um sich griff, daß sogar das so lange Zeit standfeste ``beknackt'' dreist sein ``n'' von sich schleuderte. Für unsere kleinen Helden, die stets versuchten, rechtschreibend zu sein, brachte dieses Wort und seine Anverwandten doch nur Schmerz und stark ausgeprägte, senkrecht stehende Balken roter Tinte in ihre Arbeitshefte (ugs.). Auch wenn es ihnen schließlich gelang, dieses Wort des Verderbens aus ihren Heften zu verbannen, verfolgte es sie dennoch bis zum heutigen Tage. Und nicht selten sind selbst unsere Helden zu schwach, sich eines ``Hammerscheiße'' zu erwehren. Apropos ``Hammerscheiße'': Warum für dieses Adjektiv sich nun gerade der Hammer durchgesetzt hat und nicht die Kneifzange oder gar die Laubsäge, mögen die Weisen der Beteigeuze wissen.
Wenden wir uns jedoch nun wieder unseren jungen Schülern zu, die sich eifrig
darum bemühten, die Leiter des Erfolges und damit jede einzelne Klassenstufe
Schritt für Schritt zu erklimmen. Vieler sonderbarer Dinge wurden sie Herr und
zum Teil auch Meister. Vieles beeindruckte und nochmehr verwirrte sie. So auch
die Sprache derer, die englischen Blutes waren. Oh, welch Arglist verbarg sie
doch, zwang jeden unsrer Kühnen sie beim 'Tie Äjtsch' die Zunge und das Gehirn
zu spalten. Doch auch diese Hürde wurde von den Elitären überwunden, worauf
sich ein Geprahle und Gejohle anglophiler Sprachkunst erhob. Den Anfang machte
bereits in der Unterstufe das absolute Modewort ``cool''. Es war auf einmal
alles nur noch ``cool'', und auch unsere Freunde entkamen dem nicht, obwohl sie
sich warm angezogen hatten und gut vorbereitet glaubten.
Und Englands Einfluß sollte sich noch ausweiten. So schrieben unsere
Schützlinge von nun an wesentlich mehr Tests als Arbeiten, und jedes auch noch
so unmögliche Wort jenseits des Kanals ließ sich nun verwenden. Vor Freude
wurde gerapt, gedancet, computert (warum nicht auch büchern statt lesen?) und
gepuscht, ob es nun Sinn machte oder nicht.
Es erfolgte aber im Zeitalter der Mittelstufe eine bisher nie dagewesene Revolution der Sprache. Ein Wort begann einen Aufstieg, der kometengleich war. Nie erlebten unsere Auserlesenen ein solches bevor oder danach. Das ``Geil'' war geboren bzw. wiedergeboren. Während es am Anfang eher Zurückhaltung und nur schüchterne Einzelaktionen gab, da gar niemand wußte, welche der vielen ihm bekannten und unbekannten Bedeutungen denn die zutreffende und gebräuchliche sei, schlug die Stimmung bald darauf in eine Geil-Euphorie um. Hatte man sich doch auf den Superlativ der mittelalterlichen Bedeutung geeinigt, die da einfach ``gut'' hieß. Der Erfindungsgeist der jungen, inzwischen spracherfahrenen Wesen kannte keine faßbaren Grenzen mehr. Derer Wortschöpfungen reichten vom einfachen ``Geil'' bis zum ``Ich-finde-mindestens-zehn-Wörter-Geil''. Seit diesen fernen Tagen schrieben wir sehr lange das Zeitalter ``Geil''.
Doch eines Morgens wurden sie alle (fast alle) von einem neuen hämischen Auswuchs der Sprache überrascht. Plötzlich stand es vor ihnen. Es war ``Poser'', der Fluch der Neuzeit. Diesen sagenumwobene ``Poser'' gereichte jedem, seinen Feind moralisch zu zerstören und ihn auf ewig mit dem Fluch der Verbannung zu belasten. Das Geheimnis dieses magischen Wortes liegt wahrscheinlich darin, daß kein Sterblicher bis heute genau zu klären vermochte, was es denn eigentlich bedeutet. Viele Weise machten sich auf, die Lösung zu finden, aber alle Erklärungen vom französischen ``poser'' bis zum englischen ``the poser'', das selbst der Altmeister englischer Sprachkunst Hornby in orakelhafter Weise als ``akward or difficult question'' verhüllt, konnten das Rätsel nicht lösen, das sich ein Jahr lang als fester Bestandteil des Fluchwortschatzes erwies.
Aber unsere Recken überwanden auch diese Tücke und traten in die Oberstufe ein,
die ihnen als Brutstätte aller Arbeit und Not beschrieben worden war und auf
die sie von ihren Meistern seit dem Jahr der Sexta vorbereitet worden
waren. Dort mußten sie nun dem Schwersten standhalten und lernten auf
grausamste Weisen die Zeit totzuschlagen.
Sie erfuhren nun die vorletzte Stufe ihrer Ausbildung. Die Rhetorik. Durch
diese wundersame sprachliche Waffe gelang es nun, viele Feinde durch nicht
gerade schlechte Litotes, durch blühende Metaphern, durch Anaphern, Asyndetons
und sonstiger garstiger Mittel niederzustrecken. Das war eine schöne
Bescherung, als auch noch die Ironie hinzukam! Viele Meister, Eltern und
Außenstehende mußten erfahren, daß alles ja ganz anders gemeint war, als es
gesagt wurde. Wörter wie ``super'', ``toll'' oder ``schlecht'' wurden jetzt
stets für Positives oder Negatives (oder andersherum) gebraucht. Wie nun,
wußten zu manchen Zeiten selbst unsere Helden nicht.
Doch dann wurde die letzte Stufe erklommen: das Fremdwort. Jeder unserer Heroen
memorierte, daß das Fremdwort bei permanenter agiler Agitation extensive
Konfusion oder sogar den Suizid der Antipoden provozieren kann. Eine Waffe, die
gar nicht hoch genug eingeschätzt werden konnte. Niemand, gar niemand konnte
ihnen nun noch mit Rethorick oder Fremdworten imprägnieren. Falls nun noch
eine vollständige Rechtschreibreform durchgesetzt wird, könnten auch die
Semimeister ohne Punkt Komma und sonstig garstig Zeug den Weg der
Rechschreiblehre einschlagen. Aber solange die Turmfrau Euler, das wackere Schuhmännle, der
mächtige Werling oder der Zwerg Wattenberg dieser Schule als Meister angehören,
wird ein Schutzzauber alle schweren Angriffe des Bösen aus Kiel wirkungslos
abprallen lassen.
So wollen wir denn nun auch ein vielleicht letztes Mal unseren Protagonisten
ein ``Lebewohl'' hinterherrufen. Denen, die nun gut gewappnet in die weite Welt
hinausziehen, um das Böse zu bekämpfen und die Sprache des Guten zu
verteidigen, sei es als Philologe oder als einfacher eeeh-Krieger.
41, 42
[Inhaltsverzeichnis] |